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- Out 5, 2021
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10 Jahre nach dem Referendum
Stimmungswandel in Luxemburg? Mehrheit der Einwohner befürwortet Ausländerwahlrecht
Zwei Drittel der Einwohner und 58 Prozent der Wahlberechtigten in Luxemburg befürworten laut einer Ilres-Umfrage ein Ausländerwahlrecht – ein klarer Stimmungsumschwung seit dem Referendum 2015.
Das Ergebnis einer rezenten Ilres-Umfrage mag überraschen: 58 Prozent der 574 befragten Wahlberechtigten in Luxemburg sprechen sich für ein Ausländerwahlrecht aus. Unter den insgesamt 1.012 Befragten – also einschließlich jener Personen, die derzeit nicht wählen dürfen – liegt die Zustimmung sogar bei 66 Prozent. Noch vor zehn Jahren sprach sich beim Referendum eine klare Mehrheit von fast 80 Prozent der wahlberechtigten Einwohner gegen ein solches Wahlrecht aus.
Ziel der vom Verein „Association de Soutien aux Travailleurs Immigrés“ (ASTI) in Auftrag gegebenen Umfrage war es, den Puls der Zeit zu fühlen, wie Charel Margue, Verwaltungsratsmitglied der ASTI, am Dienstag im Interview mit Radio 100,7 erklärte.
Mit dieser Umfrage habe die ASTI die Diskussion um das Ausländerwahlrecht zumindest wieder angestoßen – eine Diskussion, die seit dem Referendum weitgehend tabu gewesen sei. Margue räumte jedoch ein, dass das Thema derzeit politisch keine Priorität habe: Es sei ein „Non-Thema“, sagte er, und demnach seien kurzfristige Änderungen nicht zu erwarten.
Ein Sinneswandel?
Die demografische Situation in Luxemburg ist in der Tat sehr besonders: 48 Prozent der Einwohner besitzen keine luxemburgische Staatsangehörigkeit und sind daher von Wahlen ausgeschlossen. „Dieses demokratische Paradoxon untergräbt zunehmend die Legitimität des derzeitigen politischen Systems“, heißt es auf der Webseite der ASTI.
Doch Gesellschaften und Einstellungen verändern sich mit der Zeit. Auch die Zusammensetzung der Wählerschaft habe sich sowohl in ihrem Umfang als auch in ihrer Struktur gewandelt, erklärt Margue im Gespräch mit dem Tageblatt. Ein Teil der Wähler aus dem Jahr 2015 sei inzwischen gestorben, neue seien hinzugekommen. Menschen mit multiplen Herkünften, gemischte Familien und die doppelte Staatsbürgerschaft hätten dabei eine wichtige Rolle gespielt. „Dadurch hat sich in unserer Gesellschaft eine andere Dynamik entwickelt“, meinte Margue gegenüber Radio 100,7.
So betreffe der Sinneswandel nicht nur das Ausländerwahlrecht, sondern auch die Einstellung gegenüber Grenzgängern. Noch vor zwei bis drei Wahlperioden habe man in Luxemburg gemischte Gefühle gegenüber dieser Gruppe wahrnehmen können. Die Haltung habe sich komplett gewandelt – vielleicht mit Ausnahme der Beschwerden wegen der verstopften Autobahnen. „Heute weiß jeder, dass Luxemburg ohne Grenzgänger nicht funktionieren kann. Wir haben das akzeptiert – und können uns das Land ohne sie nicht mehr vorstellen“, sagt Margue dem Tageblatt.
Umfrageergebnisse im Detail
Die Ilres-Umfrage zeigt, dass die Zustimmung zum Ausländerwahlrecht unabhängig vom Alter relativ konstant ist. Unterschiede gibt es allerdings zwischen den Geschlechtern: 70 Prozent der befragten Frauen befürworten das Ausländerwahlrecht, bei den Männern sind es 61 Prozent. Unter den Wahlberechtigten liegt die Zustimmung bei 65 Prozent der Frauen und 51 Prozent der Männer.
Auch die Staatsangehörigkeit spielt eine Rolle: 56 Prozent der Luxemburger ohne weitere Staatsbürgerschaft, 65 Prozent der Doppelstaatsbürger sowie 75 Prozent der Nicht-Luxemburger sprechen sich für ein Wahlrecht für Ausländer aus.
Einen weiteren Einblick liefern die politischen Präferenzen der Befragten: Am stärksten ist die Zustimmung bei den Wählern der Partei „déi gréng“ mit 87 Prozent. Es folgen Wähler der Piratenpartei mit 77 Prozent sowie „Déi Lénk“ und die LSAP mit jeweils 68 Prozent. Etwas über die Hälfte der DP- und CSV-Wähler unterstützt das Ausländerwahlrecht – 57 bzw. 55 Prozent. Deutlich ablehnend zeigen sich hingegen die Anhänger der ADR – hier befürworten lediglich 22 Prozent das Ausländerwahlrecht.
Bürgerkammer für gerechtere politische Vertretung
Margue zeigt sich im Gespräch mit dem Tageblatt überzeugt, dass die Teilnehmenden der Umfrage ihre Antworten rational und weniger von Emotionen geleitet abgegeben haben – anonym, unbeeinflusst, vor einem Bildschirm. Beim Thema Ausländerwahlrecht schwinge zwar bei vielen Luxemburgern eine gewisse Angst vor Fremdbestimmung mit, räumt er ein. Doch stellt er die Frage: „Können wir es uns in diesen Zeiten wirklich leisten, die Hälfte der Bevölkerung von politischer Mitbestimmung auszuschließen?“ Und weiter: Wäre die Lage auf dem Wohnungsmarkt heute dieselbe, wenn auch Nicht-Luxemburger hätten wählen dürfen?
Um den sozialen Zusammenhalt weiterhin zu gewährleisten, fordert die ASTI eine demokratische Neugestaltung Luxemburgs, in der alle Gesellschaftsschichten politisch vertreten sind. In diesem Zusammenhang unterbreitet die Organisation zwei zentrale Vorschläge: Zum einen soll allen Einwohnerinnen und Einwohnern nach einer angemessenen Aufenthaltsdauer das Ausländerwahlrecht gewährt werden. Zum anderen schlägt die ASTI die Einrichtung einer „chambre des citoyens“ vor – einer Bürgerkammer, die an die Abgeordnetenkammer angegliedert werden soll.
Diese Bürgerkammer soll das Parlament in seiner legislativen Arbeit durch Überlegungen und konkrete Vorschläge unterstützen. Aus Sicht der ASTI ist ihre Einrichtung notwendig, da die derzeitige Zusammensetzung der Abgeordnetenkammer „nicht mehr die soziodemografische Zusammensetzung der Bevölkerung des Landes und noch weniger die Bedeutung der Grenzgänger, von denen unsere Wirtschaft in hohem Maße abhängt, widerspiegelt“.
Tageblatt
Stimmungswandel in Luxemburg? Mehrheit der Einwohner befürwortet Ausländerwahlrecht

Zwei Drittel der Einwohner und 58 Prozent der Wahlberechtigten in Luxemburg befürworten laut einer Ilres-Umfrage ein Ausländerwahlrecht – ein klarer Stimmungsumschwung seit dem Referendum 2015.
Das Ergebnis einer rezenten Ilres-Umfrage mag überraschen: 58 Prozent der 574 befragten Wahlberechtigten in Luxemburg sprechen sich für ein Ausländerwahlrecht aus. Unter den insgesamt 1.012 Befragten – also einschließlich jener Personen, die derzeit nicht wählen dürfen – liegt die Zustimmung sogar bei 66 Prozent. Noch vor zehn Jahren sprach sich beim Referendum eine klare Mehrheit von fast 80 Prozent der wahlberechtigten Einwohner gegen ein solches Wahlrecht aus.
Ziel der vom Verein „Association de Soutien aux Travailleurs Immigrés“ (ASTI) in Auftrag gegebenen Umfrage war es, den Puls der Zeit zu fühlen, wie Charel Margue, Verwaltungsratsmitglied der ASTI, am Dienstag im Interview mit Radio 100,7 erklärte.
Mit dieser Umfrage habe die ASTI die Diskussion um das Ausländerwahlrecht zumindest wieder angestoßen – eine Diskussion, die seit dem Referendum weitgehend tabu gewesen sei. Margue räumte jedoch ein, dass das Thema derzeit politisch keine Priorität habe: Es sei ein „Non-Thema“, sagte er, und demnach seien kurzfristige Änderungen nicht zu erwarten.
Ein Sinneswandel?
Die demografische Situation in Luxemburg ist in der Tat sehr besonders: 48 Prozent der Einwohner besitzen keine luxemburgische Staatsangehörigkeit und sind daher von Wahlen ausgeschlossen. „Dieses demokratische Paradoxon untergräbt zunehmend die Legitimität des derzeitigen politischen Systems“, heißt es auf der Webseite der ASTI.
Doch Gesellschaften und Einstellungen verändern sich mit der Zeit. Auch die Zusammensetzung der Wählerschaft habe sich sowohl in ihrem Umfang als auch in ihrer Struktur gewandelt, erklärt Margue im Gespräch mit dem Tageblatt. Ein Teil der Wähler aus dem Jahr 2015 sei inzwischen gestorben, neue seien hinzugekommen. Menschen mit multiplen Herkünften, gemischte Familien und die doppelte Staatsbürgerschaft hätten dabei eine wichtige Rolle gespielt. „Dadurch hat sich in unserer Gesellschaft eine andere Dynamik entwickelt“, meinte Margue gegenüber Radio 100,7.
So betreffe der Sinneswandel nicht nur das Ausländerwahlrecht, sondern auch die Einstellung gegenüber Grenzgängern. Noch vor zwei bis drei Wahlperioden habe man in Luxemburg gemischte Gefühle gegenüber dieser Gruppe wahrnehmen können. Die Haltung habe sich komplett gewandelt – vielleicht mit Ausnahme der Beschwerden wegen der verstopften Autobahnen. „Heute weiß jeder, dass Luxemburg ohne Grenzgänger nicht funktionieren kann. Wir haben das akzeptiert – und können uns das Land ohne sie nicht mehr vorstellen“, sagt Margue dem Tageblatt.
Umfrageergebnisse im Detail
Die Ilres-Umfrage zeigt, dass die Zustimmung zum Ausländerwahlrecht unabhängig vom Alter relativ konstant ist. Unterschiede gibt es allerdings zwischen den Geschlechtern: 70 Prozent der befragten Frauen befürworten das Ausländerwahlrecht, bei den Männern sind es 61 Prozent. Unter den Wahlberechtigten liegt die Zustimmung bei 65 Prozent der Frauen und 51 Prozent der Männer.
Auch die Staatsangehörigkeit spielt eine Rolle: 56 Prozent der Luxemburger ohne weitere Staatsbürgerschaft, 65 Prozent der Doppelstaatsbürger sowie 75 Prozent der Nicht-Luxemburger sprechen sich für ein Wahlrecht für Ausländer aus.
Einen weiteren Einblick liefern die politischen Präferenzen der Befragten: Am stärksten ist die Zustimmung bei den Wählern der Partei „déi gréng“ mit 87 Prozent. Es folgen Wähler der Piratenpartei mit 77 Prozent sowie „Déi Lénk“ und die LSAP mit jeweils 68 Prozent. Etwas über die Hälfte der DP- und CSV-Wähler unterstützt das Ausländerwahlrecht – 57 bzw. 55 Prozent. Deutlich ablehnend zeigen sich hingegen die Anhänger der ADR – hier befürworten lediglich 22 Prozent das Ausländerwahlrecht.
Bürgerkammer für gerechtere politische Vertretung
Margue zeigt sich im Gespräch mit dem Tageblatt überzeugt, dass die Teilnehmenden der Umfrage ihre Antworten rational und weniger von Emotionen geleitet abgegeben haben – anonym, unbeeinflusst, vor einem Bildschirm. Beim Thema Ausländerwahlrecht schwinge zwar bei vielen Luxemburgern eine gewisse Angst vor Fremdbestimmung mit, räumt er ein. Doch stellt er die Frage: „Können wir es uns in diesen Zeiten wirklich leisten, die Hälfte der Bevölkerung von politischer Mitbestimmung auszuschließen?“ Und weiter: Wäre die Lage auf dem Wohnungsmarkt heute dieselbe, wenn auch Nicht-Luxemburger hätten wählen dürfen?
Um den sozialen Zusammenhalt weiterhin zu gewährleisten, fordert die ASTI eine demokratische Neugestaltung Luxemburgs, in der alle Gesellschaftsschichten politisch vertreten sind. In diesem Zusammenhang unterbreitet die Organisation zwei zentrale Vorschläge: Zum einen soll allen Einwohnerinnen und Einwohnern nach einer angemessenen Aufenthaltsdauer das Ausländerwahlrecht gewährt werden. Zum anderen schlägt die ASTI die Einrichtung einer „chambre des citoyens“ vor – einer Bürgerkammer, die an die Abgeordnetenkammer angegliedert werden soll.
Diese Bürgerkammer soll das Parlament in seiner legislativen Arbeit durch Überlegungen und konkrete Vorschläge unterstützen. Aus Sicht der ASTI ist ihre Einrichtung notwendig, da die derzeitige Zusammensetzung der Abgeordnetenkammer „nicht mehr die soziodemografische Zusammensetzung der Bevölkerung des Landes und noch weniger die Bedeutung der Grenzgänger, von denen unsere Wirtschaft in hohem Maße abhängt, widerspiegelt“.
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